Jugendherberge Bad Hersfeld – Nachgefragt

Die Jugendherberge in Bad Hersfeld wurde als besonders nachhaltig ausgezeichnet. Was genau macht sie anders? Und wie fällt die Bewertung mit Hilfe der Positivfaktoren aus, wenn ich mir die Antworten des Leiters der Herberge noch einmal genauer anschaue? Das wollte ich herausfinden.

Okay, die erste Bewertungskategorie ist “Umwelt und Ressourcen”, da wird Wert gelegt auf ökologische Vielfalt im Einklang mit Mensch, Natur und Tieren. Woher kommen die Produkte, die Sie benutzen?

Das ist sehr vielfältig. Ein Großteil kommt nach wie vor über den Lebensmittelgroßhandel, da sind die Sachen nicht ganz unkritisch zu betrachten, gerade was Fleisch angeht.Wenn ein Mittagessen nur drei Euro kosten darf, dann kann ich natürlich kein Biofleisch kaufen, das ist einfach zu teuer. Die Gäste sind nicht bereit, dafür so tief in die Tasche zu greifen. Wir haben jetzt zwei vegetarische Tage eingeführt, weil wir auf Biofleisch nicht umstellen können, aber wir können versuchen, den Fleischkonsum zu reduzieren. Auch das ist schwierig, denn wenn wir einen Tag als “Veggieday” ausschrieben, rennen die Leute weg; lassen wir beim Frühstück die Wurst einfach weg, vermisst das kein Mensch. So versuchen wir das Ganze, ich will jetzt nicht sagen unterzumogeln, aber im Prinzip ist es so. Und wo es geht haben wir umgestellt auf Bio, wir haben Bionudeln, das Ei ist ein Bioei, deswegen gibt es nur noch drei und nicht sieben Mal die Woche Eier. Ein Bioei kostet 70ct, ein konventionelles kostet, da sieht man auch die Perversion, keine 10ct

Wie sieht es mit Bio bei Obst und Gemüse aus?

Teilweise. Die Bananen ja, bei den Äpfeln achten wir auf Regionalität. Auch bei den Gemüsebeilagen bieten wir im Winter zum Beispiel keinen Spargel an, sondern eher saisonales Gemüse.

Und wie transportiert ihr den Einkauf?

Der wird mit einem LKW geliefert. Das ist auch so ein Thema bei bio: Es gibt einen Bio- GroßhändlerInnen in Deutschland, das wäre in unserem Fall die Firma “Demeter”, die kommen aber aus Köln. Dann stellt sich immer die Frage, ob wir jetzt regional oder bio einkaufen wollen: Das lassen wir große Gruppen wie zum Beispiel Greenpeace, die bei uns im Haus Seminare haben, gerne selber entscheiden.

Die nächste Frage ist zum Thema Rohstoffe und Energie. Achten Sie bei den Geräten, die Sie benutzen, auf Energieeffizienz?

Soweit es geht ja, aber unser Ofen beispielsweise ist 13 Jahre alt. Damals war er Energieklasse A, heute sieht das natürlich anders aus.

Woher kommt ihr Strom?

Wir haben 100% Ökostrom, das lassen wir uns von unseren LieferantInnen zertifizierten. Außerdem achten wir darauf, dass wir Heizen und Gasverbrauch so gut wie minimieren und bitten die Gäste, nachzudenken, bevor die die Heizung aufdrehen, und z.B das Fenster zu schließen. Und wir haben eine Regenwassernutzungsanlage. Das heißt, dass die Toiletten auf den Gästezimmern mit Regenwasser gespeist werden. Und das nächste was hier in den Glaskasten kommt ist eine Stauwärmenutzung.

Wie sehr achten Sie auf die Vermeidung von Plastik?

Coffee to go haben wir nicht mehr, wir bitten die Gäste, sich doch einfach kurz hinzusetzen oder ihren eigenen Becher mitbringen. Auch beim Frühstück gibt es nur zwei Artikel in Verpackung, der vegane Aufstrich und die Margarine, weil mir zu beidem noch keine sinnvolle Alternative eingefallen ist.

Obwohl man Brotaufstrich ja auch einfach selber machen kann.

Kann man, ja, hat aber den Nachteil, dass, wenn ich den in größeren Mengen mache, ich wieder die Gefahr habe, dass ich Gäste habe, die diesen nicht essen und er übrig bleibt.

Wie gehen Sie mit dem übrig gebliebenem Essen um?

Es bleibt fast nichts übrig. Aber unsere Essensreste landen in der Biogasanlage. Früher haben wir noch Essen auf die Tische gestellt, doch alles, was beim Gast war, muss weggeschmissen werden. Deswegen haben wir ein Buffet, das kann ich weiterverwenden.

Kann übrig gebliebenes Essen am nächsten Tag auch noch einmal verwendet werden?

So lange die Temperatur im Buffet 60 Grad nicht unterschreitet, können wir das Essen in abgewandelter Form wiederverwenden. Da gibt es dann Nudelauflauf oder Bratkartoffeln.

So, drittes Thema: Soziales und Kultur. Wie sehen die Arbeitsbedingungen aus, machen die MitarbeiterInnen Überschichten?

Wir halten uns ganz klar ans Arbeitszeitenschutzgesetz, was manchmal dem Bedürfnis der Gäste widerspricht. Wenn zum Beispiel eine Gruppe recht spät ankommt und gerne um 20:00 noch zu Abend essen will, ist das nicht möglich. Denn ich brauche den Koch am nächsten Tag um 6:00 wieder, da kann er abends nicht so lange bleiben. Deswegen haben wir zum Beispiel diese etwas blöden Essenzeiten.

Wie sieht es mit Inklusion aus?

Wir versuchen das, aber es scheitert einfach an den BewerberInnen, es bewirbt sich einfach keiner. Aber wir haben drei barrierefreie Zimmer, wir versuchen Klassenfahrten mit Rollifahrern damit einen Ort zu bieten. Auch unsere SozialpädagogInnen, die im Sommer die Schulklassen mit einem Programm betreuen, stellen sich darauf ein. Das heißt: Selbst eine Floßbauaktion ist, wenn man das ein bisschen organisiert, mit einem Rollstuhl machbar.

Wie ist die Beziehung zwischen den Arbeitenden? Gibt es hierarchische Strukturen oder kann man auch von “unten” eigene Ideen einbringen?

Ein Paradebeispiel bin im Prinzip ich, ich habe mich in den vergangenen 25 Jahren vom Tellerwäscher zur Hausleitung hochgearbeitet. Ganz viele meiner KollegInnen haben genau diesen Werdegang gemacht, das funktioniert ziemlich gut. Außerdem sind wir hier alle per du, das heißt wir haben relativ flache Hierarchien. Und wenn jemand eine gute Idee hat, warum sollte ich die nicht aufgreifen? Oftmals kommen auch einfach Gäste mit guten Ideen, dann sage ich “klar, mach’ ma!”.

Letztes Thema, Wirtschaft. Haben Sie Kooperationen mit Firmen?

Ja, wir arbeiten mit dem internationalen Bund im Bereich Freiwilligendienste zusammen. Ansonsten haben wir eine Einkaufsgemeinschaft mit fast 250 Jugendherbergen in Deutschland, wo wir eben auch versuchen, ein bisschen Druck auf unsere Lieferanten aufzubauen, gerade im Rahmen der Nachhaltigkeit. Wir schauen auch darauf, dass keiner von unseren LieferantInnen sein Personal unter dem Mindestlohn beschäftigt.

Bei welcher Bank sind Sie denn als Jugendherberge?

Wir sind bei der Evangelischen Kreditgenossenschaft als übergreifende Bank und sind jeweils noch mit jedem Haus bei der lokalen Bank in der Nähe. Es muss immer mal wieder Geld eingezahlt werden oder man benötigt Wechselgeld, das ist einfach nicht vermeidbar, bei zwei Banken zu sein. Hier ist es zum Beispiel die Sparkasse.

Dann vielen Dank für die Antworten und ihre Zeit!

Ja, gerne.


Und hier die Auswertung des Interviews und die daraus entstandene Bewertung!

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